Ivonne Hoffmann
Wie lang bist du schon bei der Diakonie und wie bist du zur Diakonie gekommen?
Ich bin seit 1996 bei der Diakonie. Damals habe ich hier in der Einrichtung mein Berufspraktikum absolviert und war anschließend 15 Jahre lang als Kinderpflegerin angestellt. Ich hatte zwar zu diesem Zeitpunkt meine Ausbildung zur Erzieherin bereits abgeschlossen, aber es gab damals noch nicht so viele offene Stellen wie heute. Meinen Kita-Eltern habe ich es zu verdanken, dass ich nach meinem Berufspraktikum als Kinderpflegerin hier arbeiten konnte: In einem Schreiben an meinen Vorgesetzten haben sie ihn darum gebeten, dies möglich zu machen, da sie mich nicht verlieren wollten. Nach 15 Jahren als angestellte Kinderpflegerin änderte sich das System und es wurde für die Eltern ein Buchungssystem eingeführt. Im Zuge dessen wurden mehrere Erzieher:innen gebraucht und so konnte ich als Erzieherin tätig werden. Ich bin seit meinem Berufspraktikum hier in der Einrichtung. Bis auf ein paar andere Praktika während meiner Ausbildung war ich z. B. in der SVE in Naila oder in Behinderteneinrichtungen, in Regel-Kitas und Schulen tätig. Mir hat es schon immer gefallen, mit Kindern, die es schwerer im Leben haben, und deren Eltern zu arbeiten. Das war immer eine besondere Herausforderung für mich, die sehr viel Liebe zum Beruf benötigt.
Von 2019 bis 2021 habe ich über den Evangelischen Kitaverband die Fortbildung zur Führungskraft absolviert und bin seit Februar 2019 als Einrichtungsleitung tätig.
Wie genau sieht ein typischer Arbeitsalltag bei dir aus?
Insgesamt unterstützen mich momentan 16 pädagogische Mitarbeitende im Team. Bei uns arbeiten Erzieherinnen, Kinderpflegerinnen und eine Heilpädagogin. Das ist eine Besonderheit unserer Einrichtung: Unsere Heilpädagogin bietet gezielte Einzelförderstunden oder auch Kleingruppenförderung für die integrativen Kinder an. Zudem ist sie manchmal im Gruppengeschehen dabei und kann uns gezielt beraten. Weiterhin stellt sie gemeinsam mit den Eltern Anträge beim Bezirk Oberfranken oder führt heilpädagogische und beratende Elterngespräche durch, die öfters stattfinden als die normalen Entwicklungsgespräche.
Neben der Arbeit mit den Kindern und Eltern geht es für mich als Einrichtungsleitung vor allem um Organisatorisches. Sehr oft muss spontan der Einsatz der Mitarbeitenden geplant werden, wenn diese z.B. erkranken. Dann müssen wir als Team flexibel reagieren und arbeiten, um den Kindern und Eltern eine bestmögliche Betreuung zu gewährleisten. Das ist für uns alle eine sehr große Herausforderung, da wir manchmal nicht wissen, was uns am Morgen erwartet. Zum Glück haben wir in unserer Einrichtung sehr erfahrene Mitarbeitende, die sich den vielen Aufgaben und Herausforderungen stellen und sehr spontan übernehmen und handeln.
Die Herausforderungen haben sich jedoch im Laufe der Jahre geändert. Meine erste Vorgesetzte war in der Woche maximal ein- bis zweimal am Nachmittag im Büro, und das meist für eine halbe bis eine Stunde. Die restliche Zeit war sie im Gruppendienst bei den Kindern und konnte das Team als Gruppenleitung gut unterstützen. Durch das eingeführte Stundenbuchungssystem, die erweiterten administrativen Aufgaben, Vorgaben seitens der Fachaufsichten, sowie die Verwaltungs- und Dokumentationsarbeit, die Planungen, die Mitarbeiterführung, die organisatorischen Dinge, Konzepte, die erstellt werden müssen und vieles mehr hat man als Leitung ein sehr breitgefächertes Aufgabengebiet. In all diese Themen musste ich mich einarbeiten, denn das war nicht Teil der Ausbildung zur Erzieherin. Auch während meiner Fortbildung zur Führungskraft lag der Fokus eher auf Mitarbeiterführung oder dem Führen von schwierigen Elterngesprächen, und weniger auf verwaltungstechnischen Fragen.
Mitarbeiterführung ist ein wichtiges Thema und es wird auch immer wichtiger. Mein Team besteht aus vielen jungen Mitarbeitenden. Es gibt aber auch einige ältere, sehr praxiserfahrene Mitarbeitende, die bereits um die 60 sind und fast ihr ganzes Berufsleben hier in unserer Einrichtung verbracht haben. Da treffen manchmal verschiedene Sichtweisen und Vorstellungen aufeinander. Hierbei muss man gut vermitteln können, sodass jeder sich wertgeschätzt und als wichtigen Bestandteil der Einrichtung versteht. Die größte Herausforderung besteht darin, für jeden einzelnen Zeit zu finden. Dennoch wissen meine Mitarbeitenden, dass sie sofort gehört werden, wenn sich ein Zeitfenster öffnet. Länger als einen Tag lasse ich nicht vergehen, denn diese Gespräche mit den Mitarbeitenden sind für mich sehr wichtig und von großer Bedeutung, manchmal auch, um sie gut aufzufangen zu können. Unsere Arbeit ist an vielen Stellen sehr herausfordernd, sowohl mit den Kindern als auch mit den Eltern.
Die Kinder, die wir hier in mehreren kleinen Gruppen betreuen, sind zwischen einem Jahr und sechs oder sieben Jahren alt. Sie alle bringen verschiedene Eigenschaften, Erlebnisse und Entwicklungsstände mit. Viele von ihnen haben eine eigene, ganz persönliche Familiengeschichte oder leben in schwierigen Familienverhältnissen. Andere sind von einer sozial-emotionalen Behinderung bedroht. Das heißt, das sind Kinder, die in ihrer Entwicklung verzögert sind, im Verhalten noch sehr viel erlernen müssen und in anderen Kitas mit großen Gruppen oder offenen Konzepten nicht zurechtkommen. Manchmal sind Kinder dabei, die ihre Emotionen nur sehr schwer regulieren können und eine sehr enge Betreuung und Begleitung benötigen. Die Kinder werden teilweise vom Jugendamt, teilweise von der Frühförderung oder von anderen Kitas an uns weitervermittelt.
Die Zusammenarbeit mit den Eltern gehört mit zu unseren Hauptaufgaben. Die Familien wünschen sich, dass wir ihren Kindern alles beibringen, was sie zu Hause mit ihrem Kind nicht leisten können oder wollen. Jeder Einzelne benötigt viel Fingerspitzengefühl, um jedem Elternteil gerecht zu werden und ihnen auch in schwierigen, teilweise sehr emotionalen Situationen, wertschätzend entgegenzutreten. Dennoch bieten wir den Eltern lediglich eine Form der Unterstützung an. Die Hauptaufgabe in der Erziehung und Förderung der Kinder liegt nach wie vor immer noch bei den Eltern. Der überwiegende Teil unserer Eltern ist sehr dankbar für unsere Arbeit, für die positive Entwicklung ihrer Kinder, die sie nach einiger Zeit feststellen können, sowie die wertschätzende Zusammenarbeit mit ihnen. Da fließen auch manchmal Tränen, wenn uns die Kinder wieder verlassen. Sie bedanken sich für die Zeit, die wir investieren, für ihre kleinen und großen Anliegen, für die wunderschönen gemeinsamen Momente und Erlebnisse, für unsere Geduld mit ihren Kindern sowie unsere Freundlichkeit in allen Lebenslagen der Kita. In den letzten Jahren kommen immer wieder ehemalige Kinder zu uns, um ein Praktikum zu absolvieren oder ihre eigenen Kinder bei uns betreuen zu lassen. Wenn ich frage, warum sie uns ausgewählt haben, antworten sie: „Wir wollen unserem Kind eine genauso wunderschöne Kita-Zeit geben, wie wir sie hatten.“
In unserer Einrichtung legen wir sehr viel Wert auf Partizipation, das heißt Mitwirkung und Einbeziehung der Kinder. Die Kinder dürfen ca. 80% des Tages eigenbestimmen. So zum Beispiel wann wollen wir frühstücken, mit wem, neben wem möchte ich sitzen, mit wem und was möchte ich spielen, möchte ich das Freitagsfrühstück mit vorbereiten usw. Dennoch geben wir in unseren Angeboten viel Struktur vor. Struktur schafft Zuverlässigkeit und lässt Vertrauen entstehen. Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten, die Fähig- und Fertigkeiten der Kinder gewisse Herausforderungen zu bewältigen, aber auch in andere Menschen und das Leben. Viele Kinder kennen keine Regeln oder Umgangsformen mehr aus ihrem Elternhaus. Für diese Kinder ist es sehr wichtig, Strukturen zu leben und zu erfahren. Eine weitere Besonderheit unserer Einrichtung ist die „Spielzeugfreie Zeit“. Seit 27 Jahren, jedes Jahr von Mai bis August, fahren unsere Spielsachen für drei Monate in den „Urlaub“. Dies ist ein Projekt der Suchtprävention. Wir haben es nach fünf Jahren sehr guter Erfahrungen fest in unser Konzept mit aufgenommen. Es gibt keine Stifte, keinen Kleber oder ähnliches. Die Kinder werden in dieser Zeit sehr kreativ, entwickeln sich kommunikativ sehr stark weiter und es ist unheimlich spannend zu beobachten, welche Spiele sie sich ausdenken und wie sie diese in den drei Monaten immer weiter entwickeln. Was uns dabei hilft, ist natürlich unser toller Garten und unser großer Spielplatz, die viel Raum für Ideen bieten. Sogar Schulen kommen auf uns zu und fragen, was wir anders machen als andere Kitas. Die Unterschiede machen sich vor allem in der Konfliktlösung, den sprachlichen Kompetenzen, in der „Langeweile“-Gestaltung und in der Selbständigkeit der Kinder bemerkbar.
Was gibt dir in deiner Arbeit (besonders viel) Sinn?
Es bedeutet mir unheimlich viel, wenn ich zur Tür hereinkomme, mir die Kinder so unbeschwert, fröhlich entgegenkommen, mich anlächeln und sich freuen, dass ich da bin. Das ist so motivierend, aufbauend und wunderschön, dass ich immerzu denke: „Ich habe den tollsten und schönsten Job der ganzen Welt!“ Wir können es uns jeden Tag mit den Kindern so schön machen. Wir können raus gehen, Eis essen, Ausflüge machen, Theaterveranstaltungen besuchen usw. Immer und vor allem wann wir wollen.
Ich schätze es besonders, die Zeit mit den Kindern zu verbringen und eine Bindung zu ihnen aufzubauen. Ich finde es unglaublich bereichernd, die Dankbarkeit der Kinder zu spüren, die sich manchmal in Form von selbstgemalten Bildern oder kleinen selbst gebastelten Sachen ausdrückt. Die Bestätigung durch solche kleinen Gesten gibt mir immer wieder Energie, die zahlreichen Führungsaufgaben zu bewältigen und sicherzustellen, dass unsere Arbeit hier richtig ist und einen täglichen Beitrag leistet. Genau diese Momente sind es, die meiner Arbeit und meinem Beruf Bedeutung verleihen und mir die Kraft geben, weiterzumachen. Sie erinnern mich daran, warum ich diesen Beruf gewählt habe: Damit es den Kindern gut geht.
Warum bist du schon so lang dabei?
Als ich hier begonnen habe, bestand das Team aus zwei kleinen Gruppen und einer festen Mitarbeiterbasis. Es fühlte sich an wie eine Familie und sowohl die Kinder als auch die Eltern wurden Teil dieser familiären Verbundenheit. Über die Jahre hinweg blieb unser Team stabil, was mich motivierte, die Position der Einrichtungsleitung zu übernehmen. Ich wollte und möchte diese familiäre Atmosphäre und den respektvollen Umgang innerhalb des Teams bewahren und gleichzeitig an neue Mitarbeitende weitergeben.
Die Gegebenheit, dass Eltern die familiäre Atmosphäre bemerken und die meisten von ihnen sehr glücklich und dankbar sind, freut mich besonders. Eltern, die früher selbst Kinder in unserer Einrichtung waren, melden ihre eigenen Kinder bei uns an, weil sie ihren Kindern eine ähnlich schöne Kindheit ermöglichen möchten, wie sie sie selbst in unserer Kita erlebt haben. Das bestätigt mir, dass wir hier seit vielen Jahren großartige Arbeit leisten, auf die wir alle stolz sein können.
Die Diakonie ist für mich ein ausgezeichneter Arbeitgeber, der es mir erlaubt, Familie und Beruf zu vereinbaren. Ein vielfältiges Angebot für Mitarbeitende, wie z.B. Gesundheitsvorsorge, wird bereitgestellt. Die Diakonie setzt sich für die Bedürfnisse aller Mitarbeitenden ein und bietet Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Durch die Vielzahl positiver Erfahrungen und Aspekte bin ich schon lange in diesem Bereich in der Diakonie tätig.